Risiko

Der achtundzwanzigste Tag, 28. August 1991

In Los Angeles fahren wir mit der Subway. Wir wissen jetzt schon, daß jeden Moment ein Erdbeben unserer Fahrt ein rühmliches Ende bereiten wird. Es geschieht nach Plan: Wasser bricht herein, die Wände öffnen sich und die Katastrophe bricht aus. Funken sprühen, Schreie gellen, der Himmel bricht über mir auf. Die Fluten steigen an, Hilfsmannschaften stürzen herbei. Genauso schnell beruhigt sich alles wieder und sanft rukelt die Bahn wieder in ihr Startloch zurück für die nächsten ahnungslosen Besucher.

Wieder stehen wir in einer langen Schlange. Das Hauptereignis. Zwei Stunden Wartezeit. Endlos geht es im Labyrinth der Absperrungsseile hin und her. Schilder warnen Schwangere, alte Menschen, junge Menschen, Herzkranke, Kreislaufkranke im Abstand von zehn Metern vor der Teilnahme. Nach einer dreiviertel Stunde steigt Susanne aus. Sie erträgt es nicht mehr. Das ist nichts für sie. Lieber wartet sie auf mich. Halb schlecht und schwindlig wird es mir in einem Wägelchen, das mich zurück in die Zukunft bringen soll und mich anstattdessen in die riesige Monitorleinwand einer urzeitlichen Welt stürzt. Der Wagen rukelt, stößt, bricht nach den Seiten aus. Die Kinder kreischen vor Entzücken und mir bricht der Schweiß aus. Wir haben einen Auftrag, müssen den Helden retten – oder bin ich gar der Held? Ein Dinosaurier reißt den Rachen auf, wir stürzen unaufhaltsam auf seinen mittleren Zahn zu. Jäh wird abgeschwenkt, nach oben. Úber die Rettung bin ich nicht mehr entzückt. Die einzige Hoffnung bleibt der Stillstand des Wagens und der Schritt an die frische Luft.

Etwas dramatischer geht es auf einer Hochbahn in New York City zu. Ich freue mich, die vertrauten Häuser zu sehen, über ein harmloses, ungefährliches Manhattan zu schweben. Unten ein Bäcker, schräg gegenüber der Coffee-Shop. Doch ertönen bereits die Schreie um die Ecke, spitze Frauenschreie. Gefahr wird signalisiert. Ein Dröhnen ertönt und ein schwarzer, behaarter Arm greift nach der Kabine, reißt sie drei Meter herunter. Der Affenkopf öffnet sein Maul, ein Stereo-Grollen erschallt. Die Zähne geben sich wild: spitz und weiß gepflegt. Die zweite Zahnreihe fehlt. Hubschrauberflattern. Die Kabine wird gerettet. Wir dürfen alle heil aussteigen. Wieder nichts passiert.