Aussen vor

Der zweite Tag, 2. August 1991

Auf dem Weg zur Dusche an mehreren Zimmern vorbei, den engen Gang entlang. Eine leicht angelehnte Tür, leise Radiomusik. Bücherregale. Vielleicht steht sogar ein Fernseher drin. In den anderen Zimmern bleibt es still. Niemand kommt mir auf dem schmalen Gang entgegen. Die Dusche ist in einer Badewanne ohne Stöpsel. Am Morgen ist sie heiß bei hot und lauwarm bei cold und heiß bei hot und warm bei cold am Abend. Das Wasser riecht nach Chlor und kommt reichlich. Der Duschkopf läßt sich leider nicht bewegen und so bewege ich mich unter dem Duschkopf. Es ist schwül. In der Decke ist das kleine Dachfenster angekippt. Eine kleine Treppe führt nach oben. Die schwarze Teerpappe ist noch warm. Graffitis auf schwarzem Grund: Vienna 1991 mit eingekringeltem c plus Peter. Die Luft bewegt sich. Heute Morgen hier oben gefrühstückt. Inmitten vieler kleinerer und viel größerer Häuser. Das Brummen der Klimaanlagen hielt uns gleichmäßig stabil auf einer konstanten Höhe. Die langsam vorbeiziehenden weißen Wölkchen bestimmten den Kurs des Hotels auf der Insel. Acht Meter weiter unten die kleinen Dachgärten, kein Mensch zu sehen.

Dann und wann erklingt ein Windspiel.

Wohnzimmer und Schlafzimmer, Küchen und Treppenaufgänge erleuchten schräg gegenüber in rötlichen und grünlichen Farben. Ab und zu läuft ein Mann von einem Zimmer in das andere. Eine Frau geht auf ihn zu. Von einer unsichtbaren Wand wird sie aufgehalten. Sie setzt sich hin und greift neben sich nach etwas Kleinem auf einem Beitisch. Ein bläuliches Leuchten erhellt den Raum. Sie steht auf, sieht kurz aus dem Fenster und läßt einen weißen Stoffrolladen herunter. Hinter dem Haus erhebt sich ein etwas höheres Wohnhaus. Die meisten Fenster sind dunkel. Einige wenige sind hell erleuchtet. Möbel verstecken sich in dunklen Schatten. Eine kleine Yuccapalme stößt mit ihren Spitzen an den halb heruntergelassenen Rolladen. Hellgrüne, regelmäßige Muster zeichnet ein leeres Bürogebäude, leicht nach rechts versetzt. Alle Fenster sind erleuchtet. Keine Bewegung. Neben ihm, etwas weiter nach unten, ein Wohnhaus mit gelblichen Lichtflecken. Um einige Blocks nach hinten verschoben ein dunkles Bürohaus. Ein großes Werbeplakat verdeckt fünf Etagen. Wo sonst ein Panorama sich in der Horizontalen erstreckt, ist es hier die Vertikale, die den Blick bestimmt. Von fern erklingt eine Polizeisirene. Sie erinnert mich an Prag. In Prag hatte sie mich an amerikanische Krimiserien erinnert. Auf manchen Dächern stehen kleine, runde hölzerne Hütten. Einige auf Stelzen, andere auf etwas erhöhten Podesten. Je größer das Haus, desto mehr Hütten. Auf den neueren Häusern sind keine Hütten zu sehen. Stattdessen sind ein- bis dreistöckige würfelförmige Erhebungen unregelmäßig über das Dach verstreut. Meistens in der Nähe des Treppenaufgangs. Auch auf unserem Dach steht ein kleiner Würfel. Er steht in der Nähe unseres Badezimmers. Von ihm aus winden sich schmale und dicke, weiß und schwarz lackierte Rohre den Hotelgang entlang hinein in die Zimmer, um sich über dem Waschbecken in hot und cold zu verzweigen. Von dort aus ziehen sie sich nach unten, um im Boden zu verschwinden. Schräg unten leuchtet rot und blau unser Coffee-shop. Einige wenige sitzen am Fenster. Ein Mann liest Zeitung. Die Bedienung kommt. Er legt sie neben sich. Auf der Feuerleiter zurück in unser Zimmer. Die Luft ist hier um einiges wärmer. Die Fenster sind nach oben geschoben, die Vorhänge hängen matt nach unten, kein Windhauch dringt herein. Susanne liegt mit ihrer Schallplatte aus der Bronx auf dem Bett. Sie schläft.