Wikileaks-Vertraulichkeitsvereinbarung geleakt

WL Central berichtet, dass die Vertraulichkeitsvereinbarung, die Wikileaks mit Dritten getroffen hat, geleakt (PDF) und vom New Statesman veröffentlicht wurde. Der Aufreger besteht darin, dass Wikileaks sich darin als Eigentümer („owner“) der geleakten Dokumente bezeichnet. Während der New Statements „owner“ im Sinne von Eigentümer interpretiert und darin ein kommerzielles Eigeninteresse bewiesen sieht, begreift WL Central „owner“ als Besitzer und sieht daher keinen Skandal. Gleichwohl ist von „property“ (und später von „posession“) die Rede.

Bemerkenswert ist außerdem, dass die Vereinbarung

  • vom Verkauf („sell“) der Informationen spricht,
  • „Reputationsverlust“ („loss of reputation“) als Schadensfall sieht.
  • den Verlust des Informationswerts („value of thes information“) thematisiert (was sollte das sein?).
  • auf den „Nachrichtenwert“ („newsworthy“) abhebt.

Ich frage mich auch, ob dieses NDA nicht einen Vertrag darstellt … (und ob der Spiegel nicht etwa doch einen Vertrag mit Wikileaks geschlossen hat). Jedenfalls wird vertraglich ausgeschlossen, dass über die Arbeitsweise von Wikileaks berichtet wird. Falls der Spiegel, der Guardian und die New York Times dieses NDA unterschrieben haben (was ich nicht glaube, da jeder Jurist davon abraten müsste), hätten sie mit ihren Buchveröffentlichungen vermutlich verstoßen, da jede Publikation mit WL abgesprochen werden sollte. Daniel Domscheit-Berg deutete in seinem Buch an, dass Verschwiegenheit vereinbart worden war.

Interessant ist jedenfalls, dass „bedeutsame Vertragsbrüche“ mit einer Strafe von bis zu 12 Mio brit. Pfund geahndet werden sollen. Und dass die britische Jurisdiktion mit ihrem drakonischen Libel-Recht zum Anschlag kommen soll. Aber auch, dass Wikileaks bis heute davon nicht Gebrauch gemacht hat (siehe dazu auch WL Central, die das NDA als wenig dramatisch beurteilt).

Der New Statesman interpretiert das NDA übrigens dahingehend, dass es mit Wikileaks-Mitarbeitern getroffen wurde. Er schreibt:

On the basis of this legal gag alone, it would be fair to take the view that WikiLeaks is nothing other a highly commercially charged enterprise, seeking to protect and maximise its earnings from selling information that has been leaked to it. If so, WikiLeaks is nothing other than a business.

One suspects that the various brave and well-intentioned people who have provided the leaked information would be quite unaware of – and perhaps horrified by – the express commercial intentions of WikiLeaks, as evidenced by this document.

Das NDA könnte aber auch Verlage betreffen. Jedenfalls zielt es nach Interpretation von WL Central auch auf den Schutz der Einreicher ab – hier nochmal WL Central mit einer konträren Einschätzung:

WikiLeaks is an organization that makes a promise to whistleblowers that if they have the courage to act as a “hero” WikiLeaks will have the courage to be “merely decent human beings.” For WikiLeaks, this agreement is part of being a decent human being. It is about going to the nth degree to protect the “sources” it fights to keep anonymous and unknown to governments that could strike at them for providing the organization information.

6 Gedanken zu „Wikileaks-Vertraulichkeitsvereinbarung geleakt

  1. Ja, vielleicht.
    was mir nicht gefallen hat, waren die Font-Unterschiede bei der Seitennummerierung und bei „Julian Assange“ (warum sollte der in fett geschrieben werden).
    Das Kauderwelsch traue ich Assange übrigens auch zu (wenn man sich so die Chatprotokolle in DDBs Buch ansieht).
    Wie schätzt du den New Statesman ein?

  2. Ich tendiere dazu, das Dokument für eine Fälschung zu halten, erstens wegen der Summe, zweitens wegen Textpassagen, die kein Jurist bzw. dann auch Gerichte akzeptieren würde. Das Dokument klingt, als habe jemand mit juristischen Versatzstücken versucht, ein NDA zu entwerfen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Spiegel, NYT, Guardian usw. so etwas wirklich unterschreiben. Wenn überhaupt, dann ist es ein Entwurf aus der WL-Szene, nachdem der Bruch mit Guardian & Co passierte. Heather Brooke lässt grüßen….

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