Tal des Todes

Der einunddreißigste Tag, 31. August 1991

Inmitten von roten Felsen, die von den ersten Sonnenstrahlen beschienen wurden, aufgewacht. Gewundene Straßen, rundabgebrochene, zusammengewachsene Felsstücke. Einige Büsche und die Kakteen aus Wildwest. Locker gepflanzte Wälder an schmächtigen Hügelflanken. Vor Las Vegas weite Hügelketten und Sandschüsseln mit Felskragen. Die Straße führt geradeaus hinein in die hochgelegene Ebene, die wie eine Fata Morgana im Horizont steht. Eine stete Steigung des Wüstenbodens wird zur flimmernden Mauer in der Ferne. Kein Foto kann es greifen. Die Hitze draußen ist kaum vorstellbar. Der Motor fängt an zu keuchen und zu rattern. Zweimal muß der Bus anhalten, um ihn abzukühlen. Irgendein geheimnisvoller Knopf scheint Kühlung zu verschaffen. Der dicke Fahrer brummt wie ein japanischer Mönch vor sich hin und drückt den Knopf in unregelmäßigen Abständen.

Wir sind gewarnt, kaufen teures Wasser in Fünfgallon-Kanistern, tanken voll, reiben uns mit den höchsten Lichtschutzfaktoren ein. Denken an die Siedlertreks, die auf derselben Strecke verdursteten, im Kopf seitenlange Warnungen vor unsichtbaren Schlangen, tückischen Skorpionen, krebsigen Sonnenbränden.

Wir sollten der Technik dankbar sein, aber wer hat uns eingeladen?

In unserem Auto stellen wir, als es zu heiß wird, die Klimaanlage ab. Sie schaufelt die Hitze in den Motor, der irgendwann verklumpen würde. Sie, die ganz Amerika auf konstante zwanzig Grad abkühlt und europäisch-gemäßigtes Klima erzeugt, wird hier gefährlich. Als Werkzeug der Landbesetzer weist sie die schweißtreibende Arbeit den weniger Privilegierten zu, ermöglicht den Gebildeten kühle Kopfarbeit. Sie wischt den Schweiß vom Angesicht des Menschen, beseitigt den Fluch der Arbeit. Sie erzeugt air-konditionierte Alpträume und aphrodisische Zuglüfte. Sie und der Fernseher bestimmen die Erschwinglichkeit eines Hotels. Als ich behaupte, in Deutschland reiche es aus, zwei Mal die Woche zu duschen, ernte ich ungläubige Blicke und mutiere zum stinkenden Wikinger. Mit offenen Fenstern, um den Kopf gebundenen Tüchern, die vom Trinkwasser angefeuchtet im Fahrtwind abkühlen, fahren wir wie die ersten Pioniere die wüsten Berge langsam hoch und hinunter.