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Leaking-Sites und Plagiatewikis: Erweiterung der Öffentlichkeit

Plattformen wie Wikileaks oder das Guttenplag-Wiki werden nicht von Journalisten, sondern von Aktivisten und aus der Zivilgesellschaft heraus betrieben. In einer neuen Arbeitsteilung dienen sie ebenso der Herstellung von Öffentlichkeit.

In älteren Modellen der Medientheorie stellen Massenmedien Öffentlichkeit her, über die sich Bürger informieren können. Sie üben eine Gatekeeper-Rolle aus, in dem sie bestimmen, was öffentlich präsentiert wird. Seitdem zivilgesellschaftliche Organisationen und Bürger im Internet ihre Anliegen und Themen über verschiedene Dienste auf einfache Weise veröffentlichen können, hat sich das geändert. In Diskursen, die mit Schlagwörtern wie „Blogger versus Journalisten“ oder „Wikileaks versus Zeitungen“ arbeiteten, wurde das Unbehagen journalistischer Akteure an den neuen kommunikativ-medialen Verhältnissen deutlich. Sie geben vor, es sei ein neues Konkurrenzverhältnis entstanden, das zu Qualitätsverlusten führe und das ethische und professionelle Standards verletze, ja letztlich den Journalismus und damit die Demokratie gefährde.
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Presserat: „Wikileaks ist kein journalistisch-tätiger Akteur“

Der Presserat hat mir per Post nochmal eine ausführliche, 2,5-seitige Begründung zur Ablehnung meiner Beschwerde wegen mutmaßlich exklusiver Berichterstattung zu Wikileaks zukommen lassen. Interessant dürften vor allem die folgenden vier Punkte sein:

1. Die Beschwerdegegner, das heißt die Rechtsabteilung des Spiegels, verweist etwas süffisant auf die Veröffentlichung von Stark und Rosenbach zu Wikileaks hin, die meine „Mutmaßungen und Schlussfolgerungen“ als „nicht notwendig“ erscheinen lassen. Darin beschrieben die Redakteure, dass u.a. der Chefredakteur des Spiegels darauf gedrängt hatte, die New York Times nicht auszuschließen. Dazu ist anzumerken, dass zum Zeitpunkt der Einreichung der Beschwerde das Buch noch nicht veröffentlicht war.

2. Ich wies in der Beschwerde ausdrücklich auf den deutschsprachigen Raum hin, in dem zu dem Zeitpunkt der Beschwerde Exklusivität gegeben war. Dazu heißt es in der Stellungnahme der Spiegel-Rechtsabteilung allgemein, es bestehe“selbstverständlich“ keine „Pflicht“ die Informationen eigenen Wettbewerbern zu überlassen. Es wird darauf hingewiesen, dass „der Arbeits- und Personalaufwand zur sorgfältigen Aufbereitung der Unterlagen“ (…) nur von einer begenzten Anzahl von Presseunternehmen seriös geleistet werden könne“.

3.  Der Presserat weist darauf hin, dass sich Nutzer auch bei anderen Medien sowie bei Wikileaks über die Depeschen informieren können – diskutiert aber nicht die Problematik der schleppenden Veröffentlichungen. Auch die Rechtsabteilung des Spiegels geht nicht weiter darauf ein, wie weiterhin mit dem Depeschenvorrat umzugehen ist, damit die Aufarbeitung in einem schnelleren Tempo erfolgen kann – etwa in Form von Kooperationen mit weiteren Medienpartnern. Genau dies hatte ich aber problematisiert, da genau darin die besondere Qualität des Falls besteht.

4. Nach Ansicht des Presserats „unterliegen die Verantwortlichen der Plattform Wikileaks nicht den berufsethischen Regeln des Pressekodex. Aus Sicht des Presserats handelt es sich bei ihnen nicht um journalistisch-redaktionell tätige Akteure„. Von daher hätte also auch Wikileaks gar nicht gegen den Pressekodex verstoßen können.

Insbesondere letztere Bemerkung ist interessant. Sie sollte noch in Hinblick auf den Schutz von Informanten, die Plattformen wie Wikileaks nutzen, diskutiert werden. Informantenschutz können nämlich nur Journalisten gewähren – doch wann sind Journalisten überhaupt Journalisten? Wikileaks hat ja durchaus einige Beiträge editiert und kommentiert – und war insofern redaktionell tätig. Ich finde es daher erstaunlich, dass die Beschwerde „einstimmig“ abgelehnt wurde. Etwas Diskussionsstoff hätte es ja durchaus gegeben.